Klimawandel, CO2-Anstieg auf der einen Seite und eine wachsende Weltbevölkerung bei knapper werdenden Ressourcen auf der anderen befeuern die Diskussion über den Ausstieg aus der Kohlekraft und den Ersatz fossiler Brennstoffe. Die allseits geforderte Energiewende ruft große Erwartungen hervor und birgt noch größere Herausforderungen. Klimaschutzpakete und die verschiedensten Programme zur Senkung der CO2 -Emission werden von Wissenschaft, Industrie und Politik gleichermaßen gefordert und entwickelt. Zukunftstechnologien wie die alternative Energiegewinnung und neuartige Energiespeicherungskonzepte sowie die dazu notwendigen neuen Materialien sind für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende Voraussetzung und essentiell. Große Erwartungen werden dabei an die Batterieforschung gestellt und die Elektromobilität gilt gar als der Hoffnungsträger. Der Wettlauf um Zeit und die besten Konzepte hat begonnen.
Derzeit und in naher Zukunft sind Lithium-Batterien noch ultimativ die Leistungsträger in der mobilen und stationären Stromversorgung. Erst durch sie wurde die Elektromobilität möglich und praxistauglich. Mit Blick auf die Ressourcenknappheit werden jedoch eindringlich Alternativen benötigt. Da sich nun die Entwicklung hochleistungsfähiger Batteriesysteme als äußerst komplex darstellt, bedingt sie interdisziplinäre Forschungsstrategien und Netzwerke in Wissenschaft und Industrie.
Die Entwicklung nachhaltiger und umweltschonender Energiespeicher zählt zu den großen Herausforderungen der Energiewende. Die bisher sehr erfolgreich eingesetzten kompakten Lithium-Ionen-Batterien haben aufgrund ihrer hervorragenden Energie- und Leistungsdichte ein hohes Marktpotential, sind aber in der Herstellung in Bezug auf Energie und der gesteigerten Nachfrage nach wertvollen und knapper werdenden Rohstoffen wie Lithium und Kobalt extrem kostenintensiv und fragwürdig geworden. Deshalb wird zunehmend die Forderung nach energieeffizienteren leistungsfähigeren kostengünstigeren und umweltfreundlicheren Alternativen laut. Natrium-Ionen-Batterien könnten zukünftig adäquate Lösungen bieten.
Der Forschungsbedarf ist hoch. „Diese Forschungsrichtung erlebt gerade einen stürmischen Boom. In Deutschland hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) im April 2019 ein Schwerpunktprogramm eingerichtet (EUR 12,6 Mio., Laufzeit 6 Jahre) und die EU ein Training-Network (ITN, EUR 4 Mio., Laufzeit 4 Jahre) – beide Programme darf ich koordinieren“, teilt Professor Dr. S. Ulrich Schubert vom „Zentrum für Energie und Umweltchemie“ (Center for Energy and Environmental Chemistry Jena – CEEC Jena) der Friedrich-Schiller-Universität Jena mit. „Das Interesse und das Investment von Evonik Industries AG zeigt eindeutig auch das wirtschafltliche Potential. Und es gibt weiterhin ein extrem großes Interesse aus China und Japan.“
Auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Verbundprojekt „Transition“ für eine nachhaltigere Energiespeicherung mit 1,15 Millionen Euro. Am Projekt beteiligt sind das vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gegründete Helmholtz-Institut Ulm (HIU), das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden Württemberg (ZSW) und wiederum die Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU). Ziel ist, eine Alternative zu herkömmlichen Lithium-Ionen-Batterien zu entwickeln. Auch in diesem Projekt erforschen die Wissenschaftler passende Aktivmaterialien und Elektrolyte für Natrium-Ionen-Batterien der nächsten Generation.
„Polymer-basierte Batterien, d.h. Batterien die Polymere als Aktivmaterialien für die Speicherung von elektrischer Energie verwenden, werden seit 2011 in meiner Arbeitsgruppe intensiv untersucht“ merkt Professor Schubert an. „Dabei konnten wir erstmals eine durch Tintenstrahl-Druck erzeugte Dünnfilm-Batterie vorstellen. Auch konnten wir eine Reihe von neuen Aktivmaterialien patentieren und publizieren. Die Firma Evonik Industries AG ist gerade dabei diese neuen Polymere als druckbare Tinten zu kommerzialisieren (unter dem Markennamen „TAeTTOOz“)“.
Die innovativen Batterien sollen nachhaltig und umweltfreundlich, kostengünstig und zudem hochleistungsfähig sein. Die Entwicklung neuartiger metallfreier und druckbarer Energiespeicher auf Polymerbasis eröffnen zukunftsträchtige Anwendungsbereiche im Gesundheitswesen, in der Sensorik und für das Internet der Dinge. „Dies betrifft vor allem den Bereich der druckbaren Dünnfilm-Batterien. Von aktiven RFID-Tags über „Pflaster“ zur Übermittlung von Gesundheitsfunktionen bis zu intelligenter Kleidung“ , ergänzt Professor Dr. Ulrich Schubert.
„Polymere als Aktivmaterialien erfordern einen wesentlich kleineren CO2-Footprint in der Herstellung“
Batterien müssen auch unter schwierigsten Bedingungen ihre Funktions- und Leistungsfähigkeit unter Beweis stellen. Gleichzeitig müssen Gefährdungspotentiale und Risiken bei Fehlbedienung und Zerstörung über den gesamten Lebenszyklus hinweg ausgeschlossen werden. Und insbesondere in der Diskussion um die E-Mobilität steht die Langzeitbetriebsbereitschaft von Batteriezellen im Mittelpunkt.
Neuartige Batterien auf Kunststoffbasis haben gegenüber den etablierten Lithium-Ionen-Batterien zahlreiche Vorteile. Bereits die Herstellung solcher Batterien ist aufgrund der verwendeten organischen und polymeren Materialien wesentlich energieeffizienter. Polymere als Aktivmaterialien erfordern einen wesentlich kleineren CO2-Footprint bei der Herstellung. Weiterhin sind diese allgemein weniger toxisch und entflammbar. Und diese Batterien können über Drucktechniken (Sieb-Druck, Tintenstrahldruck, Rolle-zu-Rolle-Druck) verarbeitet werden.
Gleiches gilt für ihre Anwendung. Schließlich gestalten sich auch Entsorgung und Recycling umweltfreundlicher und wesentlich kostengünstiger. Batterien mit Polymeren als aktives Elektrodenmaterial sind zudem nachhaltiger, da auf den Einsatz von Schwermetallen verzichtet werden kann. Der Prototyp einer Natrium-Ionen-Batterie wie aus dem Verbundprojekt Transition besteht auf der Anodenseite aus Hartkohlenstoff auf Biomassebasis in Kombination mit wässrigen Bindemitteln und Aluminium als Stromabnehmer sowie auf der Kathodenseite aus Übergangsmetalloxiden. Verbesserte Struktur-Eigenschaftsbeziehungen bilden darüber hinaus die Voraussetzung für kontrollierte elektrochemische Reaktionen.
Kurz- und mittelfristig sind Lithium-Ionen-Batterien aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit und Energiedichte der Motor jeglicher Elektromobilität. Sie gewährleisten Betriebsdauer und Reichweite in Abhängigkeit von äußeren Bedingungen wie Einsatzgebieten, Temperaturen und Fahrverhalten. In absehbarer Zeit werden Natrium-Ionen-Batterien die Lithium-Ionen-Batterien nicht ersetzen, sondern nach Einschätzung der Fachwelt nur ergänzen können. Im Bereich der Elektromobilität werden zudem der Wasserstofftechnologie unter Einhaltung verschiedener Sicherheitsaspekte durchaus Potentiale eingeräumt.
Jedes Forschungs- und Entwicklungsergebnis ist so gut wie seine prozessbegleitende Analytik. Deshalb sind moderne Analysenmethoden zur Bestimmung von Elektrolyten und zur Identifizierung von Spurenstoffen, Rohstoffen und Materialkomponenten in der Batterieforschung von heute unverzichtbar. Die neuesten Gerätetechnologien für solche Messungen und Materialprüfungen werden in ihrer ganzen Bandbreite auf der analytica in München umfassend abgebildet. Experten präsentieren auf der Weltleitmesse analytica die neuesten Technologien und Methoden aus Chromatographie, Spektrometrie, Mikroskopie, Oberflächen- und Ionenanalytik. Im Live Lab Kunststoffanalytik/Polymere wird zudem live experimentiert. Dort haben Interessierte die Möglichkeit in einem realen Labor die Innovationen aus den Bereichen Kunststoff– und Materialanalytik live zu erleben.
Vom 09. – 12.4.2024 informiert sich die Fachwelt auf der analytica in München über die wichtigsten Neuerungen der Branche. Expertenwissen und innovative Analysentechnologien stellen einen enormen Mehrwert für die Erforschung neuer Batteriesysteme dar. In München erlauben entsprechende Schlüsseltechnologien einen Ausblick in die Zukunft.
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